Spoiler: WiW17
Verfasst: 20. Apr 2009, 19:04
Wow!!!!!!!!!!!!
Mangels Zeit hab ich keinen Spoiler mitgeschrieben, was ich im Nachhinein bedauere, aber ich komm sonst mit meiner Software nicht weiter. Musste also schnell lesen.
Ja, der Roman. Ich hatte eigentlich einen typischen RD Roman erwartet, mit vielen Kalauern, spannenden Gemetzelszenen, ausgeflippter Technik, eben klassische Trivialliteratur, wie ich sie so sehr mag.
Aber mit Trivialliteratur hat WiW17 nichts mehr zu tun, es ist eine hochpolitische SF Story, die sich durchaus mit Huxley und Orwell messen kann. Anfangs war ich noch verblüfft, wie ernst die Geschichte geschrieben ist, begriff aber schnell das dahinterstehende Prinzip: Man nimmt eine (oder mehrere) bestehende Situation und extrapoliert sie in die Zukunft, spinnt die mögliche Entwicklung weiter. DAS ist Science Fiction! Zuerst ein preussisch-militaristischer Staat, dann eine Demokratie, die man – im Schema des Trivialen denkend – für ‘die Guten’ hält, die sich aber bei näherer Betrachtung schnell als stalinistische Zwangsgesellschaft entpupt. Da steckt alles drin, vom Terror nach der französischen Revolution über die McCarthy Ära bis zu talibanartigen Revolutionswächtern. Genial. Gänsehautauslösend. Bei mir kamen Erinnerungen an meine Schulzeit hoch, als plötzlich niemand mehr BRD schreiben durfte (unter Androhung eines Direktoratsverweises, wenn man es trotzdem macht), weil ein CSUler herausgefunden hatte, dass ein DDRler diese Abkürzung vor 20 Jahren eingeführt hat. Wenn man solche Dinge weiterspinnt, kommt man zu genau dieser stalinistischen Demokratie.
Sind dann die Leute aus der Militärdiktatur die Guten? Nein. Der erste Diktator lässt Leute hinrichten (garniert mit dem [wirklich nachvollziehbarem] Kalauer, dass der Diktator alleine schon deshalb gerne gefangene Demokraten an die Wand stellen lässt, weil die ein absolutes Rauchverbot erlassen haben), dann werden Arbeitssklaven in die Kohlegruben gesperrt. Alles sehr unmenschlich (oder eben: genau menschlich, man kennt das alles aus unserer eigenen Geschichte). Aber es geht weiter, entwickelt sich weiter: Der nächste Diktator handelt bereits wesentlich humaner, unterlässt es, einen Krieg zu führen, ist sogar froh, kein Gemetzel angerichtet zu haben, mit dem er sein Gewissen belastet hätte. Eine Geschichte, in der eine solche Entwicklung steckt – das übertrifft in gewisser Weise sogar Orwells Phantasie.
Soll man eine der beiden Gesellschaften nun für die ‘Bessere’ halten? Nein. Burla gibt die Antwort – und der kann man nur zustimmen.
Zum Schluss kommt dann noch die Auflösung, die Geschichte der Entstehung der beiden Gesellschaftsformen, inklusive der Französischen Revolution und des Prager Fenstersturzes, der „Weiterentwicklung“ der Politiker hin zu den Politikern, wie wir sie momentan auch haben und einer zweiten Revolution, wie es sie auf der Erde in den unterschiedlichsten Formen ebenfalls gegeben hat, nur mit dem Unterschied, dass sie bei den Echsen anscheinend funktioniert.
Ich mag das Spiel mit den unterschiedlichen Gesellschaftsmodellen, mit den „Was wäre wenn” Überlegungen. Was mich aber am meisten begeistert hat, war, dass mir durch die Struktur der Geschichte eine Reihe eigener Vorurteile bewusst wurden: Anfangs, ah, Demokraten, also die Guten, dann eine Militärdiktatur, also die Schlechten. Dann wurden die aber durchaus sympathisch dargestellt. Sollte das bedeuten, dass hier die ‚verbotenen Seiten’ von HJB eingebaut werden sollen? Aber dann stellt Burla fest, dass sich beide Systeme nichts schenken, später schimpft Dhark über die Diktatoren. Ja, da bin ich in die Falle meiner eigenen Erwartungen und Befürchtungen getappt!
Leute, das ist echte Literatur! Ein Roman, nach dessen lektüre man mehr von sich selbst, von der Struktur des eigenen Denkens begreift! @Hajo: Das war dein bisher mit deutlichem Abstand bestes Exposee! @Uwe, Jan, Jo und Achim: Sagenhaft gut geschrieben! Bei Uwe`s Teil war ich zuerst verblüfft, wie ernst das alles geschrieben war, wie wenig von den erwarteten – erhofften – Kalauern vorkamen (gut, die Namen haben was, Vi(a)gra, die Mata Hari der Geschichte, oder bei Achim, König Opium der siebte), aber dann hab ich begriffen, dass die politische Analyse in der Geschichte sehr ernst gemeint ist und ein Element enthält, das in der öffentlichen Diskussion sehr selten auftaucht: Was passiert, wenn die populistischen Forderungen tatsächlich realisiert würden? Beispiele gibt es hier in beiden Gesellschaftssystemen genügend: Die extremen Steuern bei den Demokraten, um das Sozialsystem finanzieren zu können, die Arbeitssklaven in den Kohlegruben bei den Militaristen, weil es kein soziales Netz gibt und so weiter. Gut durchdacht und beschrieben.
Und dann das ganze garniert mit den tierisch spannenden RD Stories! Das Unsterblichkeitsserum bei den Wächtern, die wirklich irre Zivilisation der Fische… Megagenial! Und ich hab da schon wieder einen Verdacht, wie sich die Geschichte weiter entwickeln wird, aber das verrat ich nicht.
Schalom,
Schlomo (der wirklich begeistert ist!)
Mangels Zeit hab ich keinen Spoiler mitgeschrieben, was ich im Nachhinein bedauere, aber ich komm sonst mit meiner Software nicht weiter. Musste also schnell lesen.
Ja, der Roman. Ich hatte eigentlich einen typischen RD Roman erwartet, mit vielen Kalauern, spannenden Gemetzelszenen, ausgeflippter Technik, eben klassische Trivialliteratur, wie ich sie so sehr mag.
Aber mit Trivialliteratur hat WiW17 nichts mehr zu tun, es ist eine hochpolitische SF Story, die sich durchaus mit Huxley und Orwell messen kann. Anfangs war ich noch verblüfft, wie ernst die Geschichte geschrieben ist, begriff aber schnell das dahinterstehende Prinzip: Man nimmt eine (oder mehrere) bestehende Situation und extrapoliert sie in die Zukunft, spinnt die mögliche Entwicklung weiter. DAS ist Science Fiction! Zuerst ein preussisch-militaristischer Staat, dann eine Demokratie, die man – im Schema des Trivialen denkend – für ‘die Guten’ hält, die sich aber bei näherer Betrachtung schnell als stalinistische Zwangsgesellschaft entpupt. Da steckt alles drin, vom Terror nach der französischen Revolution über die McCarthy Ära bis zu talibanartigen Revolutionswächtern. Genial. Gänsehautauslösend. Bei mir kamen Erinnerungen an meine Schulzeit hoch, als plötzlich niemand mehr BRD schreiben durfte (unter Androhung eines Direktoratsverweises, wenn man es trotzdem macht), weil ein CSUler herausgefunden hatte, dass ein DDRler diese Abkürzung vor 20 Jahren eingeführt hat. Wenn man solche Dinge weiterspinnt, kommt man zu genau dieser stalinistischen Demokratie.
Sind dann die Leute aus der Militärdiktatur die Guten? Nein. Der erste Diktator lässt Leute hinrichten (garniert mit dem [wirklich nachvollziehbarem] Kalauer, dass der Diktator alleine schon deshalb gerne gefangene Demokraten an die Wand stellen lässt, weil die ein absolutes Rauchverbot erlassen haben), dann werden Arbeitssklaven in die Kohlegruben gesperrt. Alles sehr unmenschlich (oder eben: genau menschlich, man kennt das alles aus unserer eigenen Geschichte). Aber es geht weiter, entwickelt sich weiter: Der nächste Diktator handelt bereits wesentlich humaner, unterlässt es, einen Krieg zu führen, ist sogar froh, kein Gemetzel angerichtet zu haben, mit dem er sein Gewissen belastet hätte. Eine Geschichte, in der eine solche Entwicklung steckt – das übertrifft in gewisser Weise sogar Orwells Phantasie.
Soll man eine der beiden Gesellschaften nun für die ‘Bessere’ halten? Nein. Burla gibt die Antwort – und der kann man nur zustimmen.
Zum Schluss kommt dann noch die Auflösung, die Geschichte der Entstehung der beiden Gesellschaftsformen, inklusive der Französischen Revolution und des Prager Fenstersturzes, der „Weiterentwicklung“ der Politiker hin zu den Politikern, wie wir sie momentan auch haben und einer zweiten Revolution, wie es sie auf der Erde in den unterschiedlichsten Formen ebenfalls gegeben hat, nur mit dem Unterschied, dass sie bei den Echsen anscheinend funktioniert.
Ich mag das Spiel mit den unterschiedlichen Gesellschaftsmodellen, mit den „Was wäre wenn” Überlegungen. Was mich aber am meisten begeistert hat, war, dass mir durch die Struktur der Geschichte eine Reihe eigener Vorurteile bewusst wurden: Anfangs, ah, Demokraten, also die Guten, dann eine Militärdiktatur, also die Schlechten. Dann wurden die aber durchaus sympathisch dargestellt. Sollte das bedeuten, dass hier die ‚verbotenen Seiten’ von HJB eingebaut werden sollen? Aber dann stellt Burla fest, dass sich beide Systeme nichts schenken, später schimpft Dhark über die Diktatoren. Ja, da bin ich in die Falle meiner eigenen Erwartungen und Befürchtungen getappt!
Leute, das ist echte Literatur! Ein Roman, nach dessen lektüre man mehr von sich selbst, von der Struktur des eigenen Denkens begreift! @Hajo: Das war dein bisher mit deutlichem Abstand bestes Exposee! @Uwe, Jan, Jo und Achim: Sagenhaft gut geschrieben! Bei Uwe`s Teil war ich zuerst verblüfft, wie ernst das alles geschrieben war, wie wenig von den erwarteten – erhofften – Kalauern vorkamen (gut, die Namen haben was, Vi(a)gra, die Mata Hari der Geschichte, oder bei Achim, König Opium der siebte), aber dann hab ich begriffen, dass die politische Analyse in der Geschichte sehr ernst gemeint ist und ein Element enthält, das in der öffentlichen Diskussion sehr selten auftaucht: Was passiert, wenn die populistischen Forderungen tatsächlich realisiert würden? Beispiele gibt es hier in beiden Gesellschaftssystemen genügend: Die extremen Steuern bei den Demokraten, um das Sozialsystem finanzieren zu können, die Arbeitssklaven in den Kohlegruben bei den Militaristen, weil es kein soziales Netz gibt und so weiter. Gut durchdacht und beschrieben.
Und dann das ganze garniert mit den tierisch spannenden RD Stories! Das Unsterblichkeitsserum bei den Wächtern, die wirklich irre Zivilisation der Fische… Megagenial! Und ich hab da schon wieder einen Verdacht, wie sich die Geschichte weiter entwickeln wird, aber das verrat ich nicht.
Schalom,
Schlomo (der wirklich begeistert ist!)