Beitrag
von Schlomo Gross » 12. Mai 2011, 19:58
Ich schreib eigentlich sehr selten Romane, das meiste ist nur technisches Zeug (Manuals, Bedienungsanleitungen, Bauanleitungen, Verfahrensbeschreibungen...)
wie fangt ihr an bzw. wie geht ihr beim schreiben vor?
Erst mal muss die Idee da sein. Wenn die gekommen ist, bastle ich ein ganz grobes Exposee (das noch mehr wie ein Brainstorming aussieht), das analysiere ich dann, um alle Objekte und deren Beziehungen zu identifizieren (Das mach ich nicht nur bei Romanen so, sondern auch bei Manuals, Bedien... aber das hatten wir schon). Das geht praktisch genau so wie bei der OOA in der Softwareentwicklung.
Das Ergebnis sind Listen der Personen, der Orte, Gegenstände und so weiter. Eben von allem Statischen (wobei die Personen hier auch noch „statisch“ sind, also noch keine Entwicklung erleben).
Dann bastele ich an der Dynamik, etwa in Form eines Ablaufdiagramms. Wenn ich das verfeinere, dann werden auch die Personen dynamisch, verändern sich im Lauf der Geschichte. Bei der „Macht mit dem Eis“ hab ich im ersten Band darauf verzichtet, im Konzept für den zweiten Teil aber massiv eingeplant.
Als nächstes überleg ich mir eine Struktur – etwa was kommt in welches Kapitel und wie gestalte ich die Übergänge, also die Schnittstellen zwischen den Handlungsebenen – was aber bei der Macht mit dem Eis extrem einfach war, da ich ja die Kapitelstruktur aus dem zu persiflierenden “Roman” übernommen hab. Bei der Biographie von Karl Zork war es wieder anders: Da gibt es ja keine Handlung im eigentlichen Sinn, es spielt sich praktisch alles in den Fußnoten ab…
Zwischendurch schreib ich wahllos die Kalauer, Witze, Diskussionen, Zitate u.s.w. auf, die ich in den Roman einbauen will. Bei der Macht mit dem Eis war das deutlich mehr Material, als in den 180 Seiten Platz gehabt hat, bei Karl Zork hab ich das immer in weitere Fußnoten und Anhänge gepackt.
Während ich das mache, schreibe ich an verschiedenen Kapiteln, teilweise nur ganz grob den Ablauf, teilweise schon endgültigen Text, setze Kalauer und dergleichen in den – noch unfertigen – Text und verfeinere immer wieder das Exposee.
Leider neige ich dazu, abzuschweifen. Das äußert sich etwa in Dialogen oder Beschreibungen von Dingen, die an dieser Stelle eigentlich nichts zu suchen haben. Zumindest wenn man dem Exposee glauben schenkt. Aber so ist das eben mit Romanen: Die haben wenn man sie schreibt ein ziemliches Eigenleben...
wo und wann schreibt ihr?
Ich schreib immer unten im Labor.
Wann? Gelegentlich zwischendurch, wenn ich mit der jeweiligen Software soweit bin, dass ich mir eine Pause erlauben kann. Manchmal auch so nach 0400 oder 0500, wenn ich vom Programmieren noch zu aufgedreht bin um zu pennen, aber bereits so müde bin, dass jede weitere Zeile Sourcecode für den Mülleimer wäre.
wie kommen euch die ideen?
Bei der Macht mit dem Eis war es klar: Ich war derart stinksauer, weil der Verlag den unsäglichen Stahlfurtz gedruckt hatte, dass ich mich einfach abreagieren musste. Und das geht am besten an der Tastatur.
Bei Karl Zork war es weniger linear: Ich hatte 1988 HD-Wucht geschrieben, und in der Beschreibung des Programms kam das „Yerk“, die Einheit für die dynamische Unwucht vor. Den Namen hatte ich von „Quark“ abgeleitet, der wiederum aus Finnegans Wake stammt. Daher hab ich das dadaistische Gedicht „Ode an die Schrundelwake“ geschrieben, in der ein Yerk vorkommt.
Und bei der Gelegenheit fiel mir auf, dass mir das Schreiben von dadaistischen Gedichten tierisch Spaß macht. Also hab ich mehr davon fabriziert. Meistens als Kommentar am Ende von Sourcecode – weshalb es auch hunderte von Units von mir gibt, die mit einem dadaistischen Gedicht enden...
Und Ende `88 hab ich dann den Dadaisten Karl Zork konstruiert (vorher hatte ich nur seinen Namen erfunden), hab dann seine Biografie geschrieben, einen dadaistischen Roman (in dem Karl Zork übrigens kaum erwähnt wird), den kein Verlag haben wollte...
wisst ihr schon den schluss eures werks, wenn ihr anfangt?
Ja.
was macht ihr wenn "writers-block" euch befällt?
Hatte ich bisher noch nicht. Schreiben ist bei mir kein „Müssen” sondern ein willkommenes Extra. Etwas das tierisch Spaß macht, auf das ich mich oft schon den ganzen Tag freue – zumindest wenn ich beim Hacken Zeit finde, daran zu denken. Was aber eher selten vorkommt, da SoftwareindieTastaturklopfen mindestens genauso viel Spaß macht und ich mich eh nicht von der Tastatur losreißen kann, höchstens mal um was zu schreiben… ARRRGH! Bin ich wirklich so durchgeknallt?!?
Schalom,
Schlomo